Hammer der Woche: Was ist eigentlich Neurogenese?

Was ist eigentlich Neurogenese?

 

 

Wenn man sich mit der Gehirnforschung beschäftigt, stößt man immer wieder auf den Begriff „Neurogenese“.  Und wir sollten unseren Lebensstil so gestalten, dass wir die Neurogenese anregen. Aber was ist das eigentlich?

 

In unserem Hippocampus passiert etwas Großartiges: die Neurogenese. Das Wort bedeutet: Entstehung neuer Neuronen, also neuer Nervenzellen.

 

Jeder weiß, dass sich unser Gehirn während der Entwicklung im Mutterleib bildet und Neuronen entstehen.  Dass aber der Hippocampus jeden Tag unseres Lebens neue Nervenzellen produziert, lässt noch heute viele staunen. Warum passiert das?

 

Wir brauchen ständig Nachschub an Neuronen, weil einige von ihnen immer mal wieder kaputt gehen, wenn wir zum Beispiel zu viel Alkohol trinken, zu wenig schlafen, eine Verletzung im Gehirn erleiden und natürlich, wenn wir altern. Neuronen sind also das Material, mit dem das Gehirn repariert und instandgehalten wird. Vergleichbar mit neuen Dachziegeln für dein Haus, das in die Jahre gekommen ist.

 

 

Ich bewege mich für meine Nervenzellen!

 

 

Auf einen Blick: Motor fürs Gehirn

 

  1. Experimente an Tieren zeigen: Bewegung fördert das Volumen von Kortex und Hippocampus sowie das Wachstum von Blutgefäßen im Gehirn (Angiogenese) und erhöht den Spiegel von Neurotransmittern wie Acetylcholin.
  2. Im Hippocampus stimuliert körperliche Aktivität Bildung und Wachstum neuer Hirnzellen, sie vermehrt dendritische Dornen an den Neuronen und verbessert deren physiologische Eigenschaften – eine Grundlage für das Langzeitgedächtnis.
  3. Bei älteren Menschen reduziert Bewegung das Demenzrisiko. Randomisierte kontrollierte Interventionsstudien zeigen, dass daraufhin die Aufmerksamkeit steigt und das Hippocampusvolumen zunimmt.

 

BDNF ist ein Wachstumsfaktor im Gehirn, der das Überleben und das Wachstum von Nervenzellen während der Hirnentwicklung fördert sowie die synaptische Plastizität und das Lernen im Erwachsenenalter unterstützt. Und nicht nur das: Über eine wirklich aufregende Erkenntnis wurde in den 1990ern berichtet, als Forscher in Kalifornien zeigten, dass im Gehirn Ratten, die ein Laufrad im Käfig hatten, mehr neue Nervenzellen entstanden. Dieser Vorgang wird als "Neurogenese" bezeichnet.

 

 

Hippocampus und Lernen

 

 

Diese Gehirnstruktur ermöglicht das Lernen und das Behalten von Information, da es sich um eine der wenigen Gehirnregion handelt, in welcher Neurogenese das gesamte Leben lang stattfindet. Der Hippocampus besitzt die Fähigkeit, neue Neuronen zu produzieren und neue Verbindungen zwischen ihnen herzustellen – das ganze Leben lang.

 

Damit die neuen Informationen im Gedächtnis gefestigt (konsolidiert) werden können, müssen neue Verbindungen zwischen Neuronen entstehen. Aus diesem Grund spielt diese Gehirnstruktur eine entscheidende Rolle in Lernprozessen.

 

 

Kuriosität: Stimmt es, dass der Hippocampus von Taxifahrern in London größer beziehungsweise besser entwickelt ist? Weshalb? Taxifahrer in London müssen für ihre Lizenz eine schwierige Prüfung bestehen, bei der sie 25.000 Straßen und 20.000 Sehenswürdigkeiten auswendig kennen müssen. Im Jahre 2000 führten Maguire et al. eine Studie mit Londoner Taxifahrer durch. Es zeigte sich, dass ihr posteriorer Hippocampus vergrößert war. Dabei war die Größe des Hippocampus direkt proportional zu der Anzahl von Jahren, welche die Teilnehmer bereits als Taxifahrer arbeiteten. Das lässt sich darauf zurückführen, dass der Trainingseffekt, das Lernen und die Erfahrung das Gehirn verändern und modellieren.

 

 

Wenn wir uns viel bewegen, schüttet unser Körper also verstärkt den Nervenwachstumsfaktor (BDNF) aus, das ist „Dünger“ für unser Gehirn, denn Axone und Dendriten verbinden sich zu einem Netzwerk. Ein Mangel an BDNF führt zu Depressionen, Unkonzentriertheit und Vergesslichkeit.

 

 

Lernen muss weh tun!

 

 

Bewegung allein reicht aber nicht aus, um geistig fit zu bleiben. Damit die neugebildeten Neuronen Netzwerke bilden können, brauchen sie Input durch Lernen, durch Aktivitäten außerhalb meiner Komfortzone. Die Nervenzellen wandern nach der Entstehung dorthin, wo sie abgerufen werden, etwa wo gelernt wird oder Zellen repariert werden müssen.

 

Es ist immer von Vorteil, hin und wieder etwas Neues zu lernen, sei es eine Fremdsprache oder ein Instrument oder…. Wir müssen uns selbst herausfordern. Das Problem in der Erwachsenenbildung, was ich seit Jahren beobachte, ist z.B., dass immer weniger bereit sind, sich richtig anzustrengen. Nicht mal mitschreiben ist noch angesagt. Die erste Frage lautet meistens: Bekommen wir das Material digital zur Verfügung gestellt? Ich glaube ernsthaft, dass sich niemand nach einer Weiterbildung nochmal ernsthaft mit den Materialien beschäftigt. Uns wird es heute sehr leicht gemacht. Die Konsequenz muss jeder selbst tragen. Mir fällt an dieser Stelle ein Spruch ein, den meine Oma früher gerne gesagt hat: „Wer rastet, der rostet.“ Sie meinte sicherlich ihre körperlichen Aktivitäten. Das Gehirn „rostet“ aber auch.

 

 

Bewegung als Jungbrunnen im Gehirn

 

 

Ausgedehntes Spazierengehen kann den Verlust von Neuronen stoppen. Ausgiebig heißt- über einen längeren Zeitraum (Jahre) – 10.000 Schritte möglichst zusammenhängend und guten Schrittes, also nicht spazieren kriechen. Das erhält die Neuronen in wichtigen Gehirnregionen, etwa im präfrontalen Cortex, im Zentrum für kognitive Kontrolle und im motorischen Cortex. Bewegung ist die Maßnahme, die ohne Nebenwirkungen nachhaltig wirkt. Wenn wir in jüngeren Jahren vorbeugen, wird unser Gehirn stabiler, d.h. wir sind durch Bewegung präventiv tätig. Wir halten also den Verfall nicht nur auf, wir bauen auch unseren Hippocampus wieder auf.

 

 

 

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