Hammer der Woche: Warum ich so für Neurowissenschaft schwärme!

Ich werde in letzter Zeit oft gefragt, warum ich mich seit einiger Zeit so sehr für die Neurowissenschaft interessiere.  Das ist eine gute Frage, der ich heute einen eigenen Blogeintrag widmen möchte:

 

Zur Neurowissenschaft bin ich 2018 gekommen. Damals bekam ich über Xing eine Einladung zu einem Regionalmeeting des AFNB. AFNB heißt: Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement. Da ich als Dozentin arbeite und meine eigene Akademie habe, hat mich das Thema sofort magisch angezogen. Wie funktioniert Lernen gehirn- gerecht? Was muss ich in der Erwachsenenbildung beachten, damit meine Teilnehmer nachhaltig lernen können?

 

 

Wie funktioniert unser Gehirn?

 

 

In der Neurowissenschaft geht es also um die Funktionsweise des Gehirns, um die Entstehung von neuen Nervenbahnen und Synapsen, vom Zusammenspiel der Neuronen in unserem Gehirn. Das ist schon faszinierend, auch wenn es schwer ist zu verstehen bei den vielen Fachbegriffen. Die Grundlagen zu lernen hat mich schon einiges an Zeit und Nerven gekostet. Ich konnte direkt spüren, wie mein Gehirn gearbeitet hat. Lernen also am eigenen Erleben. Dabei habe ich meine bisherigen Lernstrategien überprüft und neu justiert, so dass es mir heute viel leichter fällt zu lernen. Das ist cool, kann ich sagen.

 

Neurowissenschaft interessiert mich aber auch deswegen, weil es mir logisch erscheint, es ist erklärbar und nachvollziehbar und es ist empirisch belegt. In den letzten Jahren hat die Neurowissenschaft viele neue Erkenntnisse gewonnen.

 

Mit der Neurowissenschaft lässt sich erklären, wie Coaching nachweislich funktioniert, also wirkliche Veränderungen im Verhalten von Menschen durch Coaching entstehen können.  Ich möchte in diesem Beitrag mein Verständnis von Neuro- Coaching darstellen:

 

 

Die Wirkzusammenhänge im Coaching- Prozess und die Methoden

 

 

Um die Wirkzusammenhänge im Coaching zu verstehen, ist es wichtig, zunächst die Anliegen der Klienten und damit den Arbeitsfokus des Coaching-Prozesses zu verstehen. Klienten ist die zu Grunde liegende Ursache ihres Coaching-Anliegens in den meisten Fällen nicht oder nur eingeschränkt bewusst. Aufgabe des Coachs ist es deshalb, einen Rahmen zu gestalten, in dem sich die hinter dem Thema liegenden Informationen entschlüsseln lassen und die dem Anliegen zu Grunde liegenden Prozesse deutlich werden. Diese Prozesse liegen nach der hier vorgelegten Theorie auf vier unterschiedlichen Ebenen und sind auf unterschiedliche Art und Weise entwickel- und veränderbar. Für das Coaching bedeutet das, dass die Bearbeitung von Klientenanliegen unterschiedliche Bearbeitungsebenen und -tiefen benötigt. Wie Coaching wirkt, wird in diesem Beitrag daher für jede der vier Verursachungsebenen erläutert. Eine übergreifende Bedeutung für die Wirksamkeit von Coaching hat die Beziehung zwischen Klient und Coach: Um ergebnisorientierte Selbstreflexion zu fördern, ist eine freiwillige, von Vertrauen und Diskretion getragene Arbeitsbeziehung essenziell, denn sie aktiviert das psychische System, das die Bildung selbstkongruenter Ziele und die bewusste Selbstentwicklung ermöglicht.

 

 

Meiner Erklärung über die Wirksamkeit des Coachings liegt das „Vier- Ebenen-Modell“ der Persönlichkeit und Psyche von Prof. Dr. Dr. Roth zugrunde. Dieses Modell geht vom Vorhandensein von vier anatomisch und funktional unterscheidbaren Gehirnebenen aus, nämlich von drei limbischen Ebenen und einer kognitiven Ebene. Auf der unteren limbischen Ebene sind alle Informationen gespeichert, die der Lebenserhaltung und der Erfüllung der primären körperlichen Bedürfnisse dienen, mit der wir auf die Welt kommen.

 

 

In der mittleren limbischen Ebene vollziehen sich die Erfahrungen des Säuglings bzw. Kleinkindes bis zum 3. Lebensjahr, vornehmlich in der Interaktion mit den engsten Bezugspersonen. Da in den ersten drei Lebensjahren noch kein erinnerungsfähiges Langzeitgedächtnis existiert, können diese Erfahrungen noch nicht langfristig abgespeichert werden- diese Phase nennt man infantile Amnesie. Sie gehört zum „sekundären Unbewussten“.

 

 

Auf der oberen limbischen Ebene finden diejenigen Prozesse statt, die unsere Persönlichkeit mit den Erfordernissen des sozialen Zusammenlebens in Einklang bringen. Es werden Empathie, Kompromissbereitschaft, Durchsetzungswillen, Selbstwirksamkeit u.a. ausgebildet. Inhalte, die in dieser Ebene nicht verstärkt werden, sinken tief in das Langzeitgedächtnis ab und können nicht willentlich erinnert werden. Hier ist die Hilfe eines Coaches nötig.

 

 

Auf der kognitiv- sprachlichen Ebene finden der Erfahrungs- und Wissenserwerb sowie die sprachliche Kommunikation als Grundlage des sachlichen Denkens und der Handlungsplanung statt, ohne Emotionen. Die Emotionen werden von den limbischen Ebenen hinzugefügt.

 

Auf den drei limbischen Ebenen entwickeln sich Persönlichkeit und Psyche durch sechs „psycho-neurale“ Grundsysteme:

 

 

-       Das Stressverarbeitungssystem

 

-       Das Selbstberuhigungssystem

 

-       Das Bindungssystem

 

-       Das Impulshemmungssystem

 

-       Das Motivationssystem

 

-       Das Realitäts- und Risikowahrnehmungssystem

 

 

Voraussetzung für seelische Gesundheit ist die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse. Hier können sich aber „Inkonsistenzen“ (Klaus Grawe, 2004) bilden, die bestimmt sind durch genetisch- epigenetische Vorbelastungen, insbesondere mit einer schlechten Bindungserfahrung, Erfahrungen in der späteren Kindheit und Jugend sowie im Erwachsenenalter.

 

 

Für mein Coaching bedeutet das, dass die Persönlichkeit eines Menschen aus bestimmten Ebenen aufgebaut ist, die sich zu unterschiedlichen Zeiten der menschlichen Entwicklung und unterschiedlich lange entwickeln und eine unterschiedliche Dynamik aufweisen und somit auch unterschiedliche Coaching- Maßnahmen erfordern.

 

 

Der Interventionsansatz

 

 

Hier kommt der dreifache Interventionsansatz (Roth, Ryba) zum Einsatz. Der besagt, dass sich Belastungen und Störungen stets auf drei psychobiologischen Ebenen manifestieren, wenngleich auch in unterschiedlicher Stärke:

 

 

1.    auf der „expliziten“ Ebene der Befindlichkeit, der Vorstellung und der Erinnerungen

 

2.    auf der „prozeduralen“ Ebene des Verhaltens, insbesondere der Gewohnheiten

 

3.    auf der „impliziten“ Ebene, der Ebene von non-verbaler Kommunikation, Körperhaltung, Automatismen, Mimik, Gestik und Stimmlage

 

 

Im Coaching passe ich also die Interventionen an diese drei Ebenen an, d.h. ich benötige einen integrativen „Methodenkoffer“.

 

Auf der Ebene der Befindlichkeit ist es besonders wichtig, zu verstehen und zu erleben. Auf der Ebene des Verstehens können Methoden aus der Psychoanalyse, psychodynamische Ansätze, Ansätze aus der kognitiven Verhaltenstherapie und aus der systemischen Therapie zum Einsatz kommen. Um den Klienten ins „Erleben“ zu bringen, benutze ich Elemente aus der Emotionsfokussierten Therapie und aus der Gestalttherapie. Dazu ist es notwendig, den Klienten in einen entspannten achtsamen Zustand zu bringen, mittels Hypnotherapie oder Achtsamkeitsübungen. Ebenso können Ansätze aus der lerntheoretischen Verhaltenstherapie angewendet werden.

 

Auf der Körperebene geht es vornehmlich um Körperwahrnehmung, Körperausdruck und Emotionsregulierung. Wichtige Interventionen sind hier Verlangsamung, Aktives Erkunden von Gesten, Körperausdruck nutzen, Bewegung zur Aktivierung sowie Grounding zur Beruhigung.

 

 

Die Ebene des Verhaltens offenbart uns dysfunktionales Verhalten und Verhaltenseinschränkungen. Wichtige Interventionen sind der Abbau problematischen Verhaltens, Abbau von vermeidungsverhalten und Ermöglichung neuer Erfahrungen. Auch die Veränderung der Auftrittswahrscheinlichkeit eines Verhaltens kann durch operante Verfahren aus der lerntherapeutischen Verhaltenstherapie bearbeitet werden. Methoden hierzu finde ich in der kognitiven Verhaltenstherapie, der lerntherapeutischen Verhaltenstherapie, der emotionsfokussierten Therapie, der Körperpsychotherapie, der Hypnotherapie usw.

 

 

Ich muss als Coach, die hier beschriebenen neurowissenschaftlichen und psychologischen Zusammenhänge kennen und adäquat mit der richtigen Methode reagieren können.

 

 

Der lösungsorientierte Coaching-Ansatz von meinem Coaching basiert auf einem humanistischen Menschenbild und damit auf der Grundannahme, dass der Klient über alle notwendigen Fähigkeiten verfügt, um aus sicher heraus vom Problem zur Lösung zu kommen.

 

Geeignete Fragestellungen stellen dabei eine mögliche Interventionsart dar, den Klienten in der Lösungsfindung zu unterstützen. Gleichzeitig werden Potentiale und Ressourcen analysiert, aufgebaut und verstärkt. Auf diese Weise und unter Einbezug von Perspektivwechseln wird ein neues Beziehungsverhältnis des Klienten zu seiner Problematik ermöglicht. Reframing-Interventionen öffnen den Raum zu Neu-Deutungen und Verhaltensänderungen. Durch den Einsatz von Skalierungsfragen wird die Zielvorstellung konkretisiert und in einen realistischen Rahmen gesetzt. Beziehungsproblematiken werden mittels Aufstellungsarbeit und Rollenspiel abstrahiert. Dies ermöglicht dem Klienten eine distanzierte Betrachtung von Zusammenhängen und eigenen Einflussmöglichkeiten. Der gewonnene Nutzen reicht von emotionaler Entlastung über Stressabbau, Perspektivenwechsel und erhöhter Selbstreflexionsfähigkeit bis hin zu verbesserter Führungskompetenz und Kommunikation sowie einem besseren Beziehungsverhalten und effektiverem Handeln. In diesem Sinn kann Coaching auch als gesundheitsfördernde Maßnahme definiert werden.

 

 

Genau so möchte ich mit meinen Klienten arbeiten. Sie sollen nachhaltig etwas davon haben, denn sonst würde ich meinen Auftrag nicht erfüllen. Ich bin schon seit 30 Jahren im Coach-Geschäft tätig. Schade, dass ich vieles davon früher nicht schon kannte und anwenden konnte. Aber wie heißt es so schön: Man lernt nie aus!

 

In diesem Sinne werde ich hoffentlich noch viele Jahre coachen können und Menschen dabei helfen, ihre Persönlichkeit weiter zu entwickeln.

 

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