Hammer der Woche: 11 Mythen der Alltagspsychologie

11 Mythen der Alltagspsychologie, die z. T. von interessierten Kreisen gezielt verbreitet werden oder aber aufgrund von verzerrten Darstellungen in den Medien existieren.

 

 

 

Der Forschungsgegenstand der Psychologie weckt seit jeher das Interesse der Menschen. Dabei konkurrieren die Ergebnisse der empirischen Forschung mit subjektiven Theorien jedes einzelnen Menschen und den Darstellungen vermeintlicher Erkenntnisse in den Medien. Neben der wissenschaftlichen Psychologie existiert eine Alltagspsychologie, deren Überzeugungen nicht selten im Widerspruch zur Forschung stehen. Derartige Widersprüche bezeichnen wir als „Mythen der Alltagspsychologie“.

 

 

 

Ich möchte Euch heute 11 solcher Mythen vorstellen:

 

 

 

1. Ähnlichkeit bei der Partnerwahl: „Beim Zustandekommen dauerhafter Partnerschaften gilt das Prinzip: „Gegensätze ziehen sich an“. Bei der Partnerwahl können zwei Prinzipien wirken, entweder „Gleich und gleich gesellt sich gern.“ oder „Gegensätze ziehen sich an.“. In der Forschung hat sich das erste Prinzip als dasjenige erwiesen, dass im realen Leben primär angewendet wird und auch zu dauerhafteren Partnerschaften führt. Hierin spiegelt sich ein allgemeines Prinzip, das in der Psychologie auch unter dem Begriff der Ähnlichkeits-Attraktivitäts-Hypothese bekannt wurde (Byrne, 1971). Viele Studien aus unterschiedlichen Gebieten der Psychologie zeigen, dass die wahrgenommene Ähnlichkeit anderer Menschen damit einhergeht, dass wir sie positiver bewerten

 

 

 

2. Astrologie: „Die Konstellation der Sterne zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen nimmt Einfluss auf seine Persönlichkeitsentwicklung. “Die Astrologie gehört zu dem am weitesten verbreiteten Pseudowissenschaften unserer Tage. Ihre Grundannahmen sind physikalisch mehr als fragwürdig und wurden hundertfach in empirischen Studien widerlegt

 

 

 

3. Physiognomik: „Der Abstand der Augen, die Größe des Kinns oder ähnliche Merkmale des Schädels verraten etwas über die Persönlichkeit eines Menschen.“ Die Psycho-Physiognomik („Schädeldeutung“) erlebt seit einigen Jahren eine unerwartete Renaissance. Manche Vertreter dieser Pseudowissenschaft schreiben Bestseller und treten unkritisiert in Talkshows auf, obwohl sie nichts zu bieten haben, was einer ernsthaften Prüfung standhalten könnte.

 

 

 

4. Autosuggestion: „Durch Autosuggestion kann jeder Mensch materiell erfolgreich werden.“ Seit Jahrzehnten predigen selbsternannte Erfolgsgurus ihren Anhänger, jeder Mensch könne ungeachtet seiner Fähigkeiten und Lebensumstände allein mit Mitteln der Suggestion materiell erfolgreich werden. Trotz intellektuell dürftiger Argumentation und fehlender Belege kaufen jedes Jahr viele tausend Menschen ihre Produkte in Form von Büchern, CDs und Seminaren.

 

 

 

5. Homöopathie: „Die pharmakologische Wirkung homöopathischer Medikamente ist wissenschaftlich belegt.“ Die Homöopathie ist höchst umstritten und ihre pharmakologische Wirkung wissenschaftlich nicht belegt (vgl. Ernst 2012). Ihr Mythos bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Medizin und Psychologie. Homöopathische Medikamente wirken vor allem psychologisch aufgrund der Erwartungen eines Patienten im Sinne eines relativ teuren Placebo.

 

 

 

6. Lernen im Schlaf: „Es ist wissenschaftlich belegt, dass man im Schlaf mit Hilfe von Tonbandkassetten oder Ähnlichem. eine neue Sprache erlernen kann.“ Obwohl es seit vielen Jahren mehrere Anbieter entsprechender Produkte gibt, ist deren Wirkung nicht belegt worden. Vor den Hintergrund der Tatsache, dass der Schlaf eine Abfolge sehr unterschiedlicher hirnphysiologischer Aktivitätszustände ist, kann mit einem entsprechenden Erfolg nicht gerechnet werden. Wichtig dabei ist zwischen "neuen" und "altem" Wissen zu unterscheiden: Zwar ist es schwierig im Schlaf neue Inhalte aufzunehmen, zuvor gelernte Inhalte lassen sich jedoch durch anschließendes Schlafen besser im Gedächtnis verankern

 

 

 

7. Blickrichtung und Persönlichkeit: „An der Blickrichtung eines Menschen beim Nachdenken, kann man erkennen, um welchen Persönlichkeitstypus es sich handelt.“ Seit etwa 40 Jahren verbreiten Anhänger des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) diese Kernthese ihres Ansatzes, obwohl sie inzwischen mehrfach empirisch widerlegt wurde. Dies gilt auch für die Blickrichtungshypothese. Ausgehend von der Psychotherapie gehört NLP heute zu den einflussreichsten Ansätzen der Weiterbildung z. B. im Coaching oder in Kommunikationsseminaren.

 

 

8. Psychotherapie: „Für eine erfolgreiche Psychotherapie ist es notwendig, dass der Therapeut sich intensiv mit der Kindheit des Patienten beschäftigt.“ Die Aufarbeitung der Kindheit ist ein typisches Element der Psychoanalyse bzw. tiefenpsychologisch fundierter Therapieformen. Andere Therapieformen wie etwa die Verhaltenstherapie verzichten aber bei der Behandlung vieler psychischer Störungen auf eine umfassende Aufarbeitung der Kindheit. Die Annahme ist dementsprechend falsch, wie unzählige Studien zur Wirksamkeit nicht-tiefenpsychologischer Therapieformen belegen. Ihre Verbreitung ist damit zu erklären, dass für viele Laien die Psychoanalyse heute immer noch ein Synonym für Psychotherapie ist.

 

 

9. Schizophrenie: „Menschen, die an Schizophrenie leiden, haben eine gespaltene(multiple) Persönlichkeit.“ Schizophrenie wird in der Öffentlichkeit oftmals mit der Dissoziativen Identitätsstörung (älterer Begriff: Multiple Persönlichkeitsstörung) gleichgesetzt. De facto handelt es sich jedoch um zwei voneinander unabhängige Krankheitsbilder. Die Schizophrenie ist eine psychische Störung, bei der es zu Veränderungen im Denken, der Wahrnehmung, der Affektivität, des Antriebs und der Psychomotorik kommt. Häufige Symptome sind z.B. Halluzinationen oder Wahnvorstellungen.

 

 

10. Gehirnausnutzung: „Der Mensch nutzt nur 10 Prozent seines Gehirns.“ Seit vielen Jahren geistert diese Annahme durch die Medien. Sie ist jedoch schlicht falsch, wie Untersuchungen per EEG oder MRT belegen: Diese zeigen stets umfassende Aktivitäten in vielen Bereichen des Gehirns auf. Findige Geschäftemacher nutzen das Unwissen der Menschen, um Trainingsprogramme zur Steigerung der Hirnleistung zu vermarkten.

 

 

11. Sterbeprozess: „Menschen, die wissen, dass sie in einigen Wochen sterben werden, durchlaufen dieselben psychologischen Phasen des Sterbeprozesses (1.Ablehnung 2. Zorn 3. Verhandeln 4. Depression 5. Zustimmung).“Diese Überzeugung, die auf die seinerzeit bahnbrechenden Publikationen von Elisabeth Kübler-Ross (1967) zurückzuführen ist, gilt heute als empirisch nicht mehr haltbar.

 

 

Und schon sind wir wieder ein bisschen schlauer!

 

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